Meine Arbeiten entspringen dem Wunsch des Aufzeichnens meiner Umgebung, von dem, was ich sehe und was mich intuitiv anzieht. Dieser Ansatz entwickelte sich aus den Dirigentenzeichnungen und setzte sich in den Bildern fort, die gewissermaßen »durch Glas gesehen« sind. Es sind Aufzeichnungen städtischer Situationen in Duisburg und Berlin, später meiner ländlichen Umgebung in Brandenburg. Das Verweilen an einem zu zeichnenden Ort, das genaue Hinsehen und das Aufzeichnen der reinen Linie ist über einen großen Zeitraum meine Art zu arbeiten geblieben und verankert mich dort, wo ich lebe. Kunst ist für mich auch ein Wechselspiel innerer und äußerer Gegebenheiten.
Yehudi Menuhin, Lorin Maazel und Simon Rattle: einige der Dirigenten, deren Handbewegungen ich aufzeichnete. Ein Blatt, ein sinfonischer Satz – das war das Konzept. Ich saß mit gutem Blick auf den Dirigenten mitten im Orchester und übertrug beidhändig seine Bewegungen mit Bleistift auf Papier. So entstanden individuelle Handschriften und ein wenig auch visuell erlebbare Musik.
Sehr lange beschäftigte mich die Frage, wie ich malerisch und konzeptionell an die Dirigentenbilder anschließen konnte. Meine Antwort waren die Glasbilder. Nur noch manchmal, wenn z.B. ein Radfahrer durch den Bildausschnitt fuhr, blieben es Bewegungsaufzeichnungen. Diese neue Art der zeichnerischen und malerischen Mitschrift forderte die gleiche Konzentration auf den Augenblick.
Schlichte Landschaft vor der Nehrung, vor Usedom. Der heiße Sommer 2006 war für mich ein Sommer ohne Auto, also auch ohne große Glasbilder und somit der Beginn der »Fahrradlenkerbilder«. In den Fahrradkorb musste alles passen: die Ölfarben, die Pinsel und der Malkarton. In dieser Zeit gab es kein langes Verweilen an einem Ort, sondern ein schnelles Skizzieren vom Weg aus.
Bei einem Landschaftssymposium in Schwedt an der Oder setzten riesige, unbedruckte Zeitungspapiere und ein großer ruhiger Arbeitsraum ein neues, manchmal sehr vermisstes Vergnügen an malerischen Schichtungen und Verwischungen frei. Gestische Kreideschwünge lösten die Linien auf und nahmen sich einen eigenen, neuen Raum.
Farben und Lichtverhältnisse in der Landschaft verändern sich der Tageszeit entsprechend oft intensiv und stark. Besonders interessiert mich seit einer Weile die Tageszeit der Dämmerung, das kommende Licht zu Beginn und das schwindende am Ende des Tages. Im Jahr 2021 nach Görlitz umgezogen, wandere ich nun über die Neißeauen und durch das Zittauer Gebirge.
Während und nach meinem Studium habe ich mich relativ lange mit den Dirigentenbildern beschäftigt, das heißt ich habe die Bewegungen der Hände des Dirigenten während des Dirigierens, im Orchester sitzend, mitgezeichnet, im Sinne von nachvollzogen. Dabei ging es um das reine Aufzeichnen und um keinerlei Interpretation. Für mich war es erstaunlich, wie viel Musik zu sehen, obwohl nichts zu hören ist.
Diesen Ansatz, nur einen Aspekt herauszunehmen, einen ungewöhnlichen Blickwinkel konsequent umzusetzen, habe ich im Prinzip in den Glasbildern auch auf die Landschaft angewendet. Zuerst die reinen Linien aufzuzeichnen, ohne schon zu Beginn kompositorische Schwerpunkte zu setzen, das Netz von Strichen und Formen der Natur auszulegen, das später im Atelier zu der gesehenen und erinnerten Landschaft mit Komposition und Tiefe wird. Dieser Prozess überrascht mich jedes Mal von Neuem und spornt mich an. Ich nehme die Landschaft zuerst auseinander, reduziere sie auf einen linearen Rhythmus und setze sie dann wieder zusammen. Der Faktor Zeit spielt natürlich eine Rolle, auch gerade deshalb, weil ich sie komplett vergesse. Wohl nie habe ich so lange, also stunden- oder tagelang an einem Punkt gestanden und so genau hingesehen wie an den Orten, an denen die Glaszeichnungen entstanden sind, oft eher unspektakuläre und alltägliche Situationen, die Alle kennen und an denen man normalerweise wohl eher vorbeigeht.
Wenn ich zwischen diesen zwei Begriffen wählen muss, dann ist es wohl eher die gedankliche Auseinandersetzung, denn der expressive Akt ist es ganz sicher nicht. Eher nach Paul Klee: »Zeichnen ist die Kunst, Striche spazieren zu führen.«
Im Studium sollte ich mich am Anfang zwischen der Zeichen- und der Malklasse entscheiden. Das hat mich schlaflose Nächte gekostet und ich glaube, ich habe immer die Schnittkante zwischen beiden Genres gesucht, so etwas wie eine malerische Zeichnung.
Das gilt natürlich auch für die Kohle- und Kreidearbeiten. Meistens suche ich nicht die farbliche Umsetzung, sondern genieße es, kleine Nuancen und Farbsprünge zu finden, denen man die Farbe gar nicht auf Anhieb ansieht. Ab und an aber fehlt sie mir plötzlich sehr und dann entstehen zum Beispiel farbige Landschaften (Fahrradlenkerbilder) oder Stilleben (Hommage an Paula und Matisse).
Die Kohle bzw. Kreide lässt es für mich zu, leicht zu bleiben. Wenn etwas zu fest wird, kann ich es durch einen Wisch auflösen und es ist trotzdem noch da. Es entstehen Verdichtungen, Überlagerungen und Prozesse, die weniger gesetzt sind, sondern eher Wege, die sich in der Arbeit wie zufällig eröffnen, so als käme man plötzlich an eine Lichtung. Insofern empfinde ich eine gute Zeichnung als Geschenk.
ruhig, rhythmisch, kleinteilig
Eigentlich nicht. Vielleicht, dass es auch das Alltägliche wert ist genauer betrachtet zu werden, auch der Straßenrand oder der Giersch im Garten. Ich möchte die Eile herausnehmen, das ewige Suchen in der Ferne.
Allerdings wäre ich manchmal auch in der Kunst wirklich gerne politischer, würde zu vielen aktuellen Fragen mehr Stellung beziehen. Das geht für mich aber eher über Sprache und soziales Engagement.
Ich habe acht Jahre im Vorstand des Brandenburgischen Verbands Bildender Künstler (BVBK) gearbeitet, sowie im Vorstand der Kulturmühle Perwenitz, einem Kulturort in meiner Nähe, an dem Künstler leben, arbeiten und Kunst vermitteln. Neben vielen Ausstellungen veranstalteten wir unter anderem auch Projekte mit Schulverweigerern.
Ich möchte Leben, Alltag und Kunst verbinden. So geht zum Beispiel mein Wohnzimmer nahtlos ins Atelier über, die Rosen vor dem Haus wachsen fast zum Fenster herein und mein Garten ist weniger farbig als von den unterschiedlichen Blattformen und -rhythmen geprägt.
Die Fragen stellte Denise Constanze Essig im Kontext der Ausstellung »LandSTRICHE« im Kulturhaus BASF, Schwarzheide.
1957 | Geboren in Neuenhaus, Kreis Grafschaft Bentheim |
1976 1981 | Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie, Münster und Berlin |
1990 1998 | Studium der Freien Kunst bei Prof. Peter Nagel, Muthesius-Hochschule Kiel |
seit 2000 | Tätigkeit als freischaffende Künstlerin in Birkenwerder |
2003 | Gründung einer Malschule für Erwachsene und Kinder |
2005 2013 | Mitglied im Vorstand des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler (BVBK) |
2007 2014 | Mitglied im Vorstand der Kulturmühle Perwenitz e.V. |
2018 | Gründungsmitglied der Kommunalen Galerie 47 Birkenwerder e.V. |
2023 | Grenzland, Kunstverein Grafschaft Bentheim |
2022 | Farbe: Schwarzweiß (mit Doris Titze), Kulturmühle Perwenitz |
2015 | LandSTRICHE (mit Anna von Glasow), Kulturhaus BASF, Schwarzheide |
2012 | Transparenz und Dichte (mit Ingo Kuzia), Galerie »M«, Potsdam |
2010 | Bild und Klang – Durch Glas gesehen (mit Sven Bernsmeister), Stolpe |
2009 | Schwarz und Weiß (mit Kathrin Harder), Galerie »M«, Potsdam |
2007 | Transparente – Linien auf Glas, Kunstverein Frankfurt (Oder) |
2006 | Landschaften – Linie und Fläche auf Glas und Leinwand (mit Sabine Jahnke), Klosterscheune Zehdenick |
2005 | Blätterlicht und Raubfische (mit Heike Isenmann), Galerie »M«, Potsdam |
2004 | Schönberg – Dirigentenzeichnungen, Gertraudenstraße, Berlin |
2001 | Leitlinien – Bewegungen eines Dirigenten, Emsbüren |
1998 | Aufsichten – Notierungen einer Stadt, Galerie im Treppenhaus, Berlin |
1998 | Skripturale Malerei, Galerie Brunswiker Pavillon, Kiel |
2021 | Prima Idea – Klasse Peter Nagel, Kunsthalle Kiel |
2015 | Art Brandenburg, Potsdam (auch 2013, 2011, 2009) |
2011 | querbeet, Kulturmühle Perwenitz |
2010 | Brandenburgischer Kunstpreis, Schloss Neuhardenberg (auch 2009, 2006, 2005) |
2010 | Quatre Quarts – Kunst im Gewölbe, Berlin-Spandau |
2009 | Urstromtal, Kunstspeicher Schwedt (Oder) |
2009 | Temporäre Galerie Birkenwerder |
2008 | In die Ferne – ganznah, Kulturmühle Perwenitz |
2007 | Horizonte – Kontraste, Paula Modersohn-Becker Museum, Worpswede |
2007 | Hommage an Paula Modersohn-Becker, Ministerium für Kultur, Erziehung und Sport, Potsdam |
2007 | Kunstloose Tage (mit Susanne Stühr), Oderbruch Neubarnim |
2006 | NordArt, Rendsburg-Eckernförde |
2003 | Galerie BBK Rheinland-Pfalz, Mainz |
2003 | Galerie Sztuki Wspolczesnej, Opole (Polen) |
2003 | Museumshaus »Im Güldenen Arm«, Potsdam |
2001 | XI. Ausstellung der IG Duisburger Künstler, Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg (auch 2000) |
2009 | Internationales Landschaftspleinair »Urstromtal«, Schwedt (Oder) |
2007 | Aufenthaltsstipendium Kunstverein Frankfurt (Oder) |
2003 | Oder-Spree-Symposion, Schöneiche |
1994 | Tysk og Dansk Studerende, dänisches Stipendium für Kunststudierende |